Investmenthypothese Carbios

Carbios ist ein europäisches Biotech-Unternehmen und Vorreiter beim Enzym-basierten Recycling von Plastik, was unserer Einschätzung nach ein wichtiger Baustein für den Umstieg auf eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft sein wird. Das französische Unternehmen hat die Technologie über Jahre entwickelt und zur Marktreife gebracht. Wir gehen davon aus, dass Carbios in den kommenden Jahren einen signifikanten Marktanteil beim Plastikrecycling einnehmen wird. In diesem Artikel stellen wir das Unternehmen und seine Technologie vor und erläutern unsere Investment­hypothesen.

Was macht Carbios?

Carbios wurde 2011 von Jean-Claude Lumaret gegründet und ging nach nur zwei Jahren an die Börse. Seitdem hat das Unternehmen kontinuierlich an der Entwicklung eines Enzym-basierten Prozesses für das Recycling von Plastik, genauer gesagt PET, gearbeitet. Was es genau mit dieser speziellen Art der Recyclingtechnologie auf sich hat, erläutern wir weiter unten im Detail.

Seit 2017 arbeitet Carbios eng mit L’Oreal zusammen und entwickelt Plastikverpackungen aus 100 Prozent recyceltem Material. 2019 hat L’Oreal in Carbios investiert und ein Konsortium gegründet, dem sich mittlerweile auch Nestlé und PepsiCo angeschlossen haben. Größere Aufmerksamkeit erhielt Carbios in 2020 durch eine Publikation im Fachmagazin Nature, in der sie ihre Technologie vorstellen. Mittlerweile haben alle Partner im Konsortium erste PET-Flaschen aus Carbios’ recyceltem Plastik produziert. Seit 2022 arbeitet Carbios mit Indorama, dem größten PET-Hersteller der Welt, an einer Recyclinganlage mit einer jährlichen Kapazität von 50.000 Tonnen PET, um seine Technologie das erste Mal auf industrieller Skale unter Beweis zu stellen und weiter zu optimieren.

Aktuell macht das Unternehmen noch keine nennenswerten Umsätze. Die ersten Einnahmen aus Lizenzen für Produktionsanlagen werden für 2023 erwartet und größere Umsätze ab 2025 durch das Recycling von PET unter anderem in der Produktionsanlage im französischen Longlaville, in Zusammenarbeit mit Indorama.

Der Wechsel zu einer Kreislaufwirtschaft ist essentiell für eine nachhaltige Zukunft. Hierzu gehört neben der Wiederverwendung produzierter Materialien und der Reduzierung von Einmalartikeln auch das Recycling von Plastikabfällen. Dem PET-Recycling kommt dabei eine ganz entscheidende Rolle zu. Carbios wird hier aus unserer Sicht einen wertvollen Beitrag leisten.

Exkurs: Polyethylenterephthalat (PET)

PET wird aus den chemischen Bausteinen Ethylenglykol (EG) und Terephthalsäure (TPA), alternativ Dimethylterephthalat, hergestellt. Die Basis für EG und TPA bilden Ethen und Xylol, die überwiegend aus Erdgas bzw. Erdöl und damit aus fossilen Rohstoffen gewonnen werden. Bei der Herstellung entstehen signifikante Mengen an Treibhausgasen, was offensichtlich problematisch ist.

Jährlich werden weltweit über 80 Millionen Tonnen PET produziert. PET ist damit eine der bedeutendsten Plastikarten überhaupt. Der Grund für die große Beliebtheit von PET liegt in den exzellenten physikalischen und chemischen Eigenschaften. PET ist extrem leicht und hat dabei gleichzeitig eine sehr hohe Festigkeit. Es ist billig, transparent, lebensmittelecht, temperaturbeständig zwischen -60°C und +130°C, reagiert nicht mit anderen Stoffen, lässt sich einfach verarbeiten und stellt eine sehr gute Barriere für viele Flüssigkeiten und Gase dar. All diese Eigenschaften haben dazu geführt, dass PET heute in unzähligen Anwendungen kaum mehr wegzudenken ist.

Etwa 29 Prozent des PETs werden zu Einwegflaschen und anderen Behältern verarbeitet, ca. 54 Prozent werden für die Produktion von Textilien und Fasern eingesetzt, wo es meist nicht als PET, sondern schlicht als „Polyester” bezeichnet wird. Die übrigen 17 Prozent finden sich in diversen anderen Anwendungen wie Folien oder Bauteilen in der Autoindustrie wieder.

Der Markt für PET bzw. Polyester hatte in 2021 eine Größe von ca. 32 Mrd. US-Dollar bzw. 92 Mrd. US-Dollar und es wird erwartet, dass die Nachfrage nach PET mit der Weltwirtschaft wachsen wird. Zu den größten Produzenten von PET gehört Indorama mit einer jährlichen Produktion von über 4 Mio. Tonnen. Nach eigenen Angaben wird jede fünfte PET-Flasche weltweit von Indorama produziert. Weitere Großproduzenten sind M&G Chemicals, PetroChina, Jiangsu Sanfangxiang und DAK Americas.

Status Quo und Herausforderungen des PET-Recyclings

Ein Hauptproblem bei der weltweiten Nutzung von PET und Plastik allgemein ist, dass schlicht zu wenig davon recycelt wird. 2019 wurde weltweit nur im Durchschnitt ca. 9 Prozent des Plastikmülls recycelt, die EU hatte mit einer Recyclingquote von nur 14 Prozent bereits die Spitzenposition. Der Rest des Plastikmülls wird bestenfalls noch zur Energiegewinnung genutzt oder landet ohne Anschlussverwendung auf Mülldeponien.

In vielen Fällen gelangt das Plastik leider auch unkontrolliert in die Natur. So gelangen beispielsweise jährlich etwa 8 Millionen Tonnen Plastikmüll ins Meer, das meiste davon über Flüsse in Asien. Im Meer zersetzt sich das Plastik und wird mit der Zeit zu Mikroplastik, wodurch es praktisch kaum mehr einzufangen ist und sich weltweit verbreitet. Es braucht oft viele Jahrzehnte, bis Plastik in der Natur vollständig abgebaut wird. In der Zeit schädigt es die Ökosysteme im Meer und kann über die Nahrungskette auch in den menschlichen Körper gelangen und dort physiologische Prozesse beeinflussen.

Immer wenn Plastik nicht recycelt wird, entstehen Treibhausgase. Das passiert entweder sofort, wenn das Plastik zur Energiegewinnung verbrannt wird, oder über einen längeren Zeitraum, wenn sich das Plastik auf Mülldeponien oder in der Natur zersetzt. Da Plastik in den allermeisten Fällen aus fossilen Rohstoffen gewonnen wird, erhöht dies die Menge an Treibhausgasen in der Erdatmosphäre und treibt so den Klimawandel voran.

Wir sehen zwei entscheidende Hebel, um die Recyclingquote weltweit signifikant zu erhöhen und die genannten Probleme in den Griff zu bekommen:

  1. Eine effiziente Mülltrennung
  2. Technologien, um Plastikrecycling effizienter und umweltfreundlicher zu machen.

Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Recycling ist immer ein funktionierendes System zur Mülltrennung, da Plastik separat von anderen Materialien recycelt werden muss. Es reicht jedoch nicht Plastik vom restlichen Müll zu trennen, denn selbst innerhalb des Plastikmülls müssen verschiedene Sorten (z.B. PET, Polypropylene oder Polystyrol) getrennt voneinander recycelt werden. Darüber hinaus unterscheiden sich oft auch gleiche Plastikarten in Sachen Verschmutzung und Zusatzstoffen, die beispielsweise für Farbgebung hinzugefügt werden, was eine weitere Trennung des Mülls erfordern kann. Diese Trennung ist nicht nur aufwändig, sondern trägt auch dazu bei, dass Recycling heute aus ökonomischer Sicht im Vergleich zu neu produziertem Plastik noch zu unattraktiv ist.

Aktuell gibt es zwei technische Methoden, mit denen PET recycelt wird.

Thermomechanisches Recycling

Das thermomechanische Recycling ist derzeit die gängigste Recycling-Methode für PET. Dabei wird der PET-Müll zunächst mechanisch in ein Granulat zerkleinert, anschließend eingeschmolzen und zu neuen PET-Produkten wie Flaschen o.ä. verarbeitet.

Diese Methode ist technisch verhältnismäßig einfach und etabliert, benötigt jedoch hohe Reinheitsgrade beim PET-Müll, ist energieintensiv und verursacht Emissionen. Ein weiterer Nachteil ist, dass das thermomechanische Recycling die Länge der Polymerketten im PET verkürzt, was die Materialeigenschaften des recycelten PETs verschlechtert. Daher kann dieser Prozess nur wenige Male durchgeführt werden, bevor das PET unbrauchbar wird. In der Praxis führt das dazu, dass der Anteil von recyceltem PET im Herstellungsprozess eines Produktes gewisse Grenzen nicht überschreiten kann. Thermomechanisch recyceltes PET darf zudem oft nicht mehr in Kontakt mit Lebensmitteln kommen und ist damit für viele Anwendungen keine Option. Unterm Strich ist thermomechanisches Recycling zwar besser als gar kein Recycling, hat aus unserer Sicht aufgrund der vielen Nachteile jedoch nicht das Potenzial zur Zukunftstechnologie.

Chemisches Recycling

Beim chemischen Recycling gibt es aktuell noch verschiedene Definitionen. Zum einen zählen dazu Prozesse, bei denen verschiedene Plastikarten vermischt recycelt werden. Das Endprodukt wird meist zu Stoffen für andere chemische Prozesse verarbeitet und fließt somit nicht mehr in den Plastikkreislauf zurück. Zum anderen zählen dazu Prozesse, bei denen durch Einsatz von Lösungsmitteln das Plastik in seine Monomere zersetzt wird. Durch den Abbau von PET in seine Monomere, die dann wieder zu PET zusammengebaut werden können, bleibt die Qualität des recycelten PETs auch nach vielen Recyclingzykeln unverändert hoch. Zudem haben chemische Verfahren weniger Anforderungen an die Beschaffenheit des Plastikmülls, wodurch auch Plastikmüll von geringerer Qualität bzw. Reinheit recycelt werden kann, was sich positiv auf die Kosten niederschlägt.

Das chemische Recycling ist eine verhältnismäßig neue Technologie und noch nicht so etabliert wie thermomechanisches Recycling. Neben den ebenfalls hohen Energiekosten für die benötigte Prozesswärme fallen hier durch die eingesetzten Chemikalien auch Abfälle an, die umweltschädlich sein können. An dieser Stelle sollte jedoch betont werden, dass Stoffe in chemischen Prozessen oft sehr gut wiederverwendet werden können. Dennoch können Umweltverschmutzungen beim chemischen Recycling nicht ausgeschlossen werden.

Ein Prozess, der auch oft den chemischen Recyclingmethoden zugeordnet wird, ist das enzymatische Recycling, wie es Carbios praktiziert. Diesen Prozess erklären wir genauer in Investment­hypothese 3.

Investment­hypothesen

Der Markt für recyceltes PET wird stark wachsen
Hypothese 1

Um das Problem der wachsenden Mengen an Plastikmüll zu lösen, bedarf es neben neuer Produktdesigns auch einer erfolgreichen Kreislaufwirtschaft. Recycling ist dabei der zentrale Bestandteil und im Hinblick auf die weltweite Recyclingquote von gerade einmal 9 Prozent ist hier noch viel Potenzial für Verbesserung. Recycling von Plastik (und insbesondere PET) hat drei Vorteile:

  1. Die Menge an Müll, die verbrannt wird oder auf Mülldeponien – oder noch schlimmer im Meer – landet, wird reduziert. Damit einhergehend reduzieren sich auch die dadurch entstehenden Treibhausgasemissionen.
  2. Das Recycling reduziert den Bedarf an neuen, fossilen Rohstoffen wie Öl und Gas, was gut für die Ökobilanz ist, sofern der Recyclingprozess selbst nicht, oder zumindest deutlich weniger umweltschädlich ist.
  3. Das Recycling fördert lokale Lieferketten und eine autarke Wirtschaft, da der Transport von Abfall über lange Strecken nicht wirtschaftlich ist. In Zeiten von globalen Konflikten, angespannten Lieferkette und hohen Energiepreisen ist dies ein gewichtiger Faktor, da somit die Abhängigkeit von Öl- und Gaslieferungen verringert wird.

Die Relevanz von Recycling und Kreislaufwirtschaft ist zumindest in Europa, aber auch in anderen Teilen der Welt, in der Politik angekommen. In der EU gibt es beispielsweise seit Anfang 2018 eine Plastikstrategie, die nach eigenen Angaben „ein Kernelement für Europas Übergang zu einer CO2-neutralen Kreislaufwirtschaft ist” und zum Erreichen der Ziele für nachhaltige Entwicklung bis 2030, dem Pariser Klimaabkommen und der EU Industriestrategie beiträgt. Die beschlossene Strategie umfasst Maßnahmen, um Recycling wirtschaftlich attraktiver für Firmen zu machen, indem bspw. der Anteil an recyceltem Plastik in Produkten erhöht wird. Im Jahr 2020 hat die EU ihre Pläne durch eine neue Kreislaufwirtschaftsstrategie weiter ausgebaut.

Auch bei Endverbrauchern wächst das Bewusstsein für dieses Problem und die Nachfrage nach recycelten oder umweltfreundlichen Alternativen. Diese Nachfrage spiegelt sich auch in den Verpflichtungen der großen PET-Verbraucher zu mehr Recycling in ihren Produkten wider. So haben sich zum Beispiel Pepsi, L’Oreal und viele andere dazu verpflichtet, all ihre Verpackungen bis 2025 aus 100 Prozent wiederbefüllbarem oder wiederverwendbarem, recycelbarem, oder kompostierbarem Material zu machen und bis 2030 einen Großteil aus erneuerbaren oder recycelten Quellen zu beziehen. Neben dem PET für Verpackungen macht die Textilindustrie mehr als die Hälfte des gesamten PET-Verbrauchs aus. Bisher sind Recyclingmethoden für PET-Recycling aus Textilien und Fasern noch nicht gut etabliert, da hier viel Mischplastik im Einsatz ist, das sich durch thermomechanisches Recycling schwer verarbeiten lässt. Carbios’ Technologie verspricht hier Abhilfe und hat vor kurzem eine Kooperation mit einigen großen Textilfirmen wie On, Patagonia, Puma und Salomon geschlossen. Aufgrund der großen Nachfrage an recyceltem Plastik kann hierfür aktuell sogar ein Aufpreis verlangt werden.

Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage und die Menge an recyceltem Plastik bis 2030 stark steigen wird und Unternehmen, die recyceltes Plastik produzieren, davon profitieren werden.

Risiken

Auch wenn die Richtung klar zu sein scheint, gibt es Risikofaktoren bei einer Investition in Plastik-Recyclingunternehmen. Der limitierende Faktor ist vor allem die Verfügbarkeit von gut getrenntem PET-Müll. Dafür muss ein effizientes Mülltrennsystem vorhanden sein, was in vielen Teilen der Welt noch viel Arbeit benötigt. Steigt das Angebot an recyceltem Plastik, wird der Aufpreis, der aktuell noch gezahlt wird, immer weiter sinken, was sich auf die Profitabilität auswirken kann. Obgleich die Nachfrage nach recyceltem Plastik in der aktuellen Lage mit Blick auf Regulierung und Nachfrage durch Endverbraucher beständig scheint, könnte bei deutlich fallendem Erdölpreis Plastik auf Erdölbasis für einige Unternehmen oder Branchen wieder attraktiver werden.

Enzymatisches PET-Recycling wird einen signifikanten Marktanteil erreichen
Hypothese 2

Die aktuell bekannten Methoden zum Recycling von PET haben alle ihre spezifischen Vor- und Nachteile (siehe Tabelle). Unserer Einschätzung nach wird sich das enzymatische Recycling aufgrund seiner Vorteile langfristig im PET-Recycling etablieren und einen signifikanten Marktanteil einnehmen. Wir glauben jedoch nicht, dass enzymatisches Recycling die einzige Technologie für PET-Recycling sein wird. Vielmehr wird es einen Mix aus verschiedenen Methoden geben, die sich ergänzen und an die lokalen Gegebenheiten und Infrastruktur angepasst sind. Wir gehen davon aus, dass das Wachstum beim enzymatischen Recycling das Wachstum des PET-Recycling-Marktes übersteigen und somit Marktanteile von etablierten Methoden übernehmen wird. Zu dieser Annahme kommen wir aus folgenden Gründen:

Die beim Recycling eingesetzten Enzyme sind umweltverträglich, biologisch abbaubar und nicht gesundheitsschädlich. Die Temperatur, die für die Reaktion benötigt wird, ist deutlich niedriger als bei anderen Verfahren, was zum einen die Prozesskosten senkt und zum anderen die Arbeitssicherheit erhöht. Weitere Kostenvorteile ergeben sich daraus, dass die Enzyme auch bei einer geringeren Reinheit des Plastikmülls sehr gut funktionieren, da sie “selektiv” PET abbauen. Beim enzymatischen Recycling wird das PET in seine ursprünglichen Ausgangsstoffe zersetzt. Diese können dann im nächsten Schritt wieder zu PET verarbeitet werden. Somit entsteht neues PET ohne Qualitätsverlust, über viele Recyclingzyklen hinweg.

Enzymatisch recyceltes PET wird aufgrund der hohen Qualität und der besseren Umweltbilanz, ähnlich wie chemisch recyceltes Plastik, höhere Marktpreise als thermomechanisch recyceltes PET bzw. primäres PET erzielen können. Alles in allem sehen wir enzymbasiertes Recycling sowohl technisch als auch ökonomisch als überaus attraktiv für Kunden und Produzenten an, weshalb wir von einem wachsenden Marktanteil ausgehen.

Verfahren Vorteile Nachteile
Thermomechanisches Recycling (z.B. BASF, Covestro)
  • Etabliertes Verfahren mit bestehender Infrastruktur
  • Technisch relativ simpel
  • Hoher Energieverbrauch
  • Nur wenige Recyclingzyklen sind möglich, da die Qualität abnimmt
  • Plastikmüll muss sehr rein sein
Chemisches Recycling (z.B. Evonik, BASF)
  • Selektives Recycling erlaubt unreinen Plastikmüll
  • Recycling zu Monomeren ermöglicht hohe Plastikqualität auch nach vielen Recyclingzyklen
  • Hoher Energieverbrauch durch hohe Prozesstemperatur
  • Wenig Infrastruktur vorhanden
  • Einsatz von umweltschädlichen Chemikalien
Enzymatisches Recycling (z.B. Carbios)
  • Selektives Recycling erlaubt unreinen Plastikmüll
  • Recycling zu Monomeren ermöglicht hohe Plastikqualität auch nach vielen Recyclingzyklen
  • Niedrige Temperaturen führen zu niedrigen Energieverbrauch
  • Kein Einsatz von umweltschädlichen Chemikalien
  • Neues Verfahren mit begrenzter Erfahrung in Sachen Skalierung
  • Fehlende Infrastruktur
  • Große Mengen an Salz als Beiprodukt (kann an die Chemieindustrie weiterverkauft werden)

Risiken

Enzymatisches Recycling ist ein sehr neuer und noch nicht etablierter Prozess, was einige Risiken bei der Implementierung mit sich bringt. Aktuell ist die Skalierung des Prozesses so weit erprobt, dass erste größere Mengen an PET recycelt werden können. Ob die Skalierung auf die benötigte, industriell relevante Größe so funktioniert wie geplant, lässt sich noch nicht mit hundertprozentiger Gewissheit sagen. Gelingt dies nicht, würde der Prozess nie die erhofften Skaleneffekte erreichen und nicht in ausreichendem Maße etabliert werden.
Ein weiterer Risikofaktor können neue Innovationen beim chemischen Recycling sein, was dazu führen könnten, dass diese sich durch besonders niedrige Kosten oder andere Faktoren gegenüber enzymatischem Recycling durchsetzen können.

Carbios entwickelt den führenden Prozess für enzymatisches Recycling
Hypothese 3

Der Prozess des enzymatischen Recyclings wurde inspiriert von der Fähigkeit spezieller Bakterien, Plastik abzubauen. Indem man das entsprechende Enzym aus den Bakterien isoliert, kann bspw. PET gezielt zersetzt werden. Carbios hat dieses Enzym über viele Jahre der Forschung durch verschiedene Verfahren modifiziert und optimiert. Das Enzym, eine PET-Hydrolase, entfernt zuerst einen MHET (Mono-(2-Hydroxyethyl)-Terephthalsäure Monomer vom PET-Polymer. Dieser Monomer wird in einem nächsten Schritt zu den Stoffen TPA (Terephthalsäure) und EG (Ethylenglycol) abgebaut. TPA und EG werden anschließend aufgereinigt und stehen dann wieder als Ausgangsstoffe für die Synthese von neuem PET zur Verfügung.

Carbios Recycling

Carbios hat dieses Enzym zunächst mit anderen PET abbauenden Enzymen verglichen und als effektivstes Enzym zum Abbau von PET identifiziert. Das von Carbios eingesetzte Enzym kann nicht genau auf einen Organismus zurückgeführt werden, da es einem Metagenom-Sample* eines Komposthaufens entnommen wurde. Anschließend hat Carbios das Enzym so verändert, dass es unter optimalen Bedingungen im Labor innerhalb von ca. 10 Stunden bei einem Verhältnis von 3 g Enzym zu 1 kg PET und 72 °C in der Lage ist, ca. 90 % des PETs in seine Monomere zu zersetzen. Die genaue Funktionsweise und die Entwicklung zu ihrer patentierten Technologie hat Carbios 2020 im renommierten Wissenschaftsjournal Nature publiziert.

Seit der Nature-Veröffentlichung hat Carbios den Prozess weiterentwickelt und auf den industriellen Maßstab angepasst. Bei einem Verhältnis von jetzt 1g Enzym zu 1kg PET und 60°C werden in einem 20.000 L Reaktor innerhalb von ca. 32 Stunden ca. 90% des PETs zersetzt.

Das macht Carbios zur bisher einzigen Firma, die enzymatisches Recycling in industriellem Maßstab anbietet. Dieser technische Vorsprung wird aus unserer Sicht dadurch abgesichert, dass es für andere Unternehmen selbst bei üppigen finanziellen Möglichkeiten viele Jahre an Forschung und Entwicklung brauchen würde, um einen vergleichbaren Prozess zu entwickeln. Hinzu kommt, dass Carbios als ersten großen Skalen erreichen wird, was weitere Möglichkeiten zur Optimierung und Kostenvorteile mit sich bringt.

Risiken

Obwohl Carbios den aktuell führenden Prozess im enzymatischen Recycling entwickelt und patentiert hat, gibt es einige Risiken zu beachten. Zum einen ist das Enzym von Carbios zwar sehr gut, aber nicht einzigartig. In der Literatur werden verschiedene PET abbauende Enzyme beschrieben, die in der Nature-Publikation mit dem von Carbios eingesetzten Enzym verglichen wurden. Verschiedene Startups und Forschungsgruppen, u.a. aus Deutschland, arbeiten in diesem Bereich und könnten Carbios in Zukunft Konkurrenz machen. Aktuell gibt es jedoch keinen Konkurrenten, der beim enzymatischen Recycling so weit fortgeschritten ist wie Carbios.

Auch wenn der Prozess des enzymatischen Recyclings bereits sehr nachhaltig ist, besteht zudem laut verschiedener Analysen auch hier noch Verbesserungspotential:

  • So fallen aktuell noch große Mengen an Natriumsulfat an. Dieses lässt sich aber auch als Nebenprodukt verkaufen, da es in vielen Waschmitteln oder in Form von Glaubersalz als Dünger in der Landwirtschaft eingesetzt wird.
  • Die mechanische Vorbehandlung des PET-Abfalls, die beim Recycling nötig ist, führt zudem zu einem höheren Wasserverbrauch gegenüber dem Herstellungsprozess von Erdöl-basiertem PET.
  • Eine US-Studie kommt zu dem Schluss, dass neben dem Wasserverbrauch auch die Nutzung von Elektrizität und die Vorbereitung des PET-Abfalls, sowie die Einstellung des pH-Wertes für das enzymatische Recycling noch Verbesserungspotential aufweisen.

Die genannten Herausforderungen ändern in unseren Augen nichts an der Tatsache, dass ihre Technologie führend ist und bereits jetzt großes Potential hat.

Carbios hat ein durchdachtes und skalierbares Geschäftsmodell
Hypothese 4

Das Geschäftsmodell von Carbios ist hoch skalierbar bei überschaubarem Kapitalbedarf. Für den Recyclingprozess werden zum einen Recyclinganlagen und zum anderen die von Carbios eigens entwickelten Enzyme benötigt.

Recyclinganlagen sind üblicherweise kapitalintensiv. Insbesondere die Errichtung der Anlagen und der benötigten Infrastruktur erfordern hohe Investitionen. Bedingt durch das hohe Volumen und geringe Gewicht von Plastikabfall können lange Transportwege das Recycling schnell unprofitabel machen. Aus diesem Grund sind Recyclinganlagen in ihrer Größe limitiert und dezentral angesiedelt.
Abgesehen von der eigenen Recyclinganlage in Zusammenarbeit mit Indorama, setzt Carbios vor allem auf die Zusammenarbeit mit anderen lokalen Recyclingfirmen und PET-Produzenten. Diese verfügen bereits über einen Großteil der nötigen Infrastruktur und können von Carbios Lizenzen für die Nutzung der Baupläne für die enzymbasierten Recyclinganlagen erwerben. Über die Lizenzvereinbarung verdient Carbios an neuen Recyclinganlagen, die ihr enzymbasiertes Verfahren nutzen, ohne selbst in die Anlagen zu investieren.

Das benötigte Enzym bezieht Carbios vom dänischen Enzym-Produzenten Novozymes. Novozymes ist Weltmarktführer in der Enzymproduktion und hat das nötige Knowhow sowie die Produktionskapazitäten, um die benötigten Mengen günstig herzustellen. Carbios vertreibt das Enzym exklusiv an die Betreiber der lizenznehmenden Recyclinganlagen und generiert so jährlich Umsätze mit bestehenden Anlagen.

Für die Carbios-Partner bleibt unserer Analyse zufolge nach der Investition sowie dem Einkauf der Enzyme und Lizenzen noch genügend Gewinnmarge übrig, um die Zusammenarbeit auch für sie wirtschaftlich interessant zu machen. Dadurch ist das Geschäftsmodell von Carbios einfach skalierbar und nur durch die Nachfrage nach enzymatischem Recycling begrenzt. Sollten sich unsere Hypothesen 1-3 wie erhofft bewahrheiten, so könnten Carbios’ Umsätze mit steigender Nachfrage in den nächsten Jahren entsprechend schnell steigen.

Carbios Business Modell

Risiken

Neben der technischen Effektivität des Prozesses muss auch die Wirtschaftlichkeit überzeugen. Bisher ist das enzymatische Recycling noch nicht im industriellen Einsatz und über einige Faktoren lassen sich nur Annahmen treffen. Die Wirtschaftlichkeit ist im Wesentlichen von vier Faktoren bestimmt:

  • Prozesskosten
  • Enzymkosten
  • Kosten für PET-Abfall
  • Preis für enzymatisch recyceltes PET

Je nachdem, wie sich diese Faktoren in den nächsten Jahren verändern, gibt es Unsicherheiten bezüglich der Unit Economics. Die Frage der Wirtschaftlichkeit betrifft jedoch gleichermaßen andere Recyclingprozesse. Entscheidend wird sein, wie wichtig uns als Gesellschaft das Recycling von Plastik ist, wie ökonomisch es ist und wie stark die Politik regulierend eingreift. Lediglich die Enzymkosten sind spezifisch für das enzymatische Recycling. Sollten beispielsweise durch hohe Energiekosten die Produktionskosten von Enzymen steigen, wirkt sich das auch auf die Produktionskosten anderer Recyclingprozesse aus. Da der Gesamtprozess auf Enzymbasis jedoch weniger energieintensiv als andere Recyclingprozesse ist, könnten höhere Energiekosten den Carbios-Prozess sogar relativ gesehen attraktiver machen.

ESG

Als kleines Unternehmen hat Carbios aktuell noch keine ausgearbeitete ESG-Strategie. Dennoch gibt es neben der Branche, in der das Unternehmen tätig ist, bereits einige Punkte, die verdeutlichen, dass Carbios als ein sehr nachhaltig handelndes Unternehmen eingestuft werden kann.

Environment

Recycling ist zentraler Bestandteil einer Kreislaufwirtschaft, die wiederum essentiell für eine nachhaltige Zukunft unseres Planeten ist. Carbios liefert hier eine umweltfreundliche Recycling-Technologie für PET und andere Plastikarten. Neben den offensichtlichen Vorteilen des Plastikrecyclings im Vergleich zur Verbrennung von Plastik oder der Entsorgung auf Deponien oder im Meer, gibt es noch weitere spezifische positive Effekte beim enzymatischen Recycling, wie in einer technoökonomischen Analyse des US-Energieministeriums sehr gut herausgestellt wurde. Dabei zeigt sich, dass enzymatisches Recycling im Vergleich zu Erdöl-basiertem PET weniger Landfläche benötigt, und deutlich weniger zur Smogbildung, Eutrophierung, Säuerung und zum Ozonabbau beiträgt. Zudem ist das enzymatische Recycling weniger schädlich für die menschliche Gesundheit. Dennoch besteht noch Verbesserungspotential beim Prozess, unter anderem durch die Nutzung von erneuerbarer Energie und die Reduktion des Wasserverbrauchs bei der Vorbereitung des PET-Abfalls.

Social

Einer von Carbios’ Kernwerten ist der gegenseitige Respekt zueinander. Carbios schätzt seine Mitarbeiter als das höchste Gut der Firma ein und zielt auf einen respektvollen Umgang miteinander ab, der die individuelle Persönlichkeit und Diversität schätzt. Die Sicherung eines idealen und stimulierenden Arbeitsklimas hat dabei Priorität. Neben dem Umgang innerhalb der Firma hat für Carbios auch das gute Verhältnis zu Partnern und Kunden einen hohen Stellenwert. Hinzu kommt, dass Carbios ein französisches Unternehmen ist und damit EU-Sozialstandards erfüllen muss.

Governance

Carbios hat sich neben der Geschäftsführung mit dem Aufsichtsrat, dem wissenschaftlichen Beirat und dem Rechnungsprüfungsausschuss mehrere unabhängige Kontrollgremien aufgebaut. Zusätzlich sorgt ein eigens aufgesetzter Ethik- und Verhaltenskodex dafür, dass jede Aktivität innerhalb und außerhalb nach den höchsten ethischen Geschäftspraktiken durchgeführt wird. Diesem Kodex unterliegen alle Angestellten und Direktoren gleichermaßen bei ihrer täglichen Arbeit und allen Entscheidungen. Insgesamt haben wir auch in dieser Kategorie keine Bedenken.

Bewertung

Nach der Analyse der Technologie haben wir zukünftige Werttreiber für den Carbios-Aktienkurs identifiziert. Wesentliche Treiber sind die steigende Nachfrage nach enzymatisch recyceltem PET und das damit verbundene Wachstum, die aktuelle Alleinstellung der Technologie als umweltfreundlichste Methode für das Recycling und ein Geschäftsmodell, das schnelle Skalierung ermöglicht. Mit einer Vielzahl an wichtigen Partnern und Großkunden befindet sich Carbios in einer exzellenten Position, um schnell zu wachsen. Diese Faktoren sowie die beschriebenen Risiken haben wir in einer Discounted Cashflow Bewertung des Unternehmens reflektiert und kommen zu dem Ergebnis, dass die Carbios-Aktie aktuell ein attraktives Risiko-Rendite-Verhältnis aufweist.

Fazit

Carbios hat den ersten enzymatischen PET-Recyclingprozess im industriellen Maßstab entwickelt und damit eine umweltschonende Lösung für unser Plastikproblem geschaffen. Mit der Carbios-Technologie kommen wir einer Kreislaufwirtschaft einen großen Schritt näher. Wir haben Werttreiber wie das starke Wachstumspotenzial im Recyclingmarkt und die weiter steigende Nachfrage nach PET in unserer Unternehmensbewertung berücksichtigt und sind sowohl technisch als auch ökonomisch von Carbios überzeugt. Aus diesem Grund ist das Unternehmen Teil der 10xDNA-Fonds.

Publiziert am

Autor: TEQ Capital Research Team

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