10xDNA Positionspapier: Investieren in die Wasserstoff-Ökonomie

Wasserstoff ist eines der großen Versprechen für den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Er gilt in verschiedenen Anwendungsbereichen als attraktive Möglichkeit, klimaschädliche Emissionen aus fossilen Rohstoffen zu reduzieren oder ganz zu vermeiden.

Auch wir im 10xDNA Research Team sehen in Wasserstoff großes Potenzial für eine nachhaltige Zukunft in vielen Industriezweigen. Gleichzeitig halten wir einige Anwendungsfälle, die heute noch von zum Teil hochrangigen Experten unterstützt werden, aufgrund der fundamentalen Eigenschaften von Wasserstoff für unrealistisch. Wir haben daher eine sehr differenzierte Meinung und gehen davon aus, dass sich Wasserstoff in vielen Bereichen nicht durchsetzen wird.

Die teilweise fehlgeleitete positive Erwartungshaltung des Marktes stellt für Investoren eine große Herausforderung dar, da sie ein hohes Enttäuschungspotenzial birgt. Sie macht aus unserer Sicht ein aktives und selektives Investieren auf Basis eines tiefen technischen Verständnisses unabdingbar. Derzeit haben wir noch kein Unternehmen im Portfolio, das sich speziell mit Wasserstoff beschäftigt.

Im folgenden Artikel werden wir das Thema Wasserstoff etwas näher beleuchten und die Gründe für unsere teilweise skeptische Haltung erläutern. In einem ähnlichen Artikel haben wir in der Vergangenheit bereits unsere Sicht auf das Thema synthetische Kraftstoffe (aka E-Fuels) im Straßenverkehr dargelegt.

Warum hat Wasserstoff grundsätzlich Potenzial?

Wasserstoff hat grundsätzlich Potenzial, da es sowohl in der Herstellung als auch in der Nutzung klimaneutral sein kann und eine Alternative zu klimaschädlichen Rohstoffen wie Erdöl und Erdgas darstellt.

Die beiden gängigsten Herstellungsverfahren für Wasserstoff sind

  • Chemische Umwandlung fossiler Rohstoffe (”grauer” oder “blauer” Wasserstoff): Fossile Energieträger wie Erdgas enthalten Wasserstoff in gebundener Form. Durch chemische Umwandlungsprozesse (z.B. Dampfreformierung) kann dieser Wasserstoff bei sehr hohen Temperaturen gewonnen werden. Bei der Reaktion entstehen große Mengen an klimaschädlichen Gasen wie CO2, die entweder ungehindert in die Atmosphäre entweichen oder mit aufwändigen Verfahren wie Carbon Capture and Storage (CCS) abgeschieden und dauerhaft gespeichert werden müssen. Ohne CCS spricht man von “grauem” Wasserstoff, mit CCS von “blauem” Wasserstoff.

  • Elektrolyse von Wasser (”grüner” Wasserstoff): Dabei wird Wasser (H2O) mit Hilfe von elektrischem Strom in seine Bestandteile Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) aufgespalten. Stammt der Strom aus erneuerbaren Quellen, ist diese Methode der Wasserstofferzeugung sehr sauber, da keine klimaschädlichen Emissionen entstehen. Man spricht dann von “grünem” Wasserstoff.

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Bisher sind über 99% des weltweit verwendeten Wasserstoffs “grau”, was jährlich mehr als 800 Megatonnen CO2 (ca. 2% aller globalen Emissionen) verursacht und offensichtlich keine langfristige Zukunft hat. Beim “blauen” Wasserstoff wird immerhin ein Teil der entstehenden Emissionen vermieden. Das ist ein großer Fortschritt, aber bei weitem noch nicht optimal, da weiterhin nicht erneuerbare fossile Rohstoffe gefördert und verbraucht werden und CCS aufwändig und teuer ist. Aus unserer Sicht ist daher “grüner” Wasserstoff die einzige wirklich nachhaltige und zukunftsfähige Art der Wasserstofferzeugung, auch wenn er auf absehbare Zeit deutlich teurer bleiben dürfte als “grauer” Wasserstoff.

Die Nutzung von Wasserstoff kann auch CO2-frei erfolgen. Als Rohmaterial wird Wasserstoff chemisch mit anderen Stoffen verbunden und erzeugt keine schädlichen Emissionen. Als Energieträger wird Wasserstoff entweder verbrannt, um Wärme oder Bewegung zu erzeugen, oder in Brennstoffzellen in elektrischen Strom umgewandelt. Auch hier entsteht bei den Reaktionen theoretisch nur Wasser als Abfallprodukt. In der Praxis ist die Situation etwas komplexer, da bei unvollständiger Verbrennung auch klimaschädliche Gase (z.B. Stickoxide) entstehen, die eine Abgasreinigungstechnik erforderlich machen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Wasserstoff auf dem Papier ein großes Potenzial hat, zu einer nachhaltigen Zukunft beizutragen. In der Realität sind jedoch wichtige Eigenschaften zu beachten, die Wasserstoff nur in bestimmten Bereichen sinnvoll erscheinen lassen.

Fundamentale Eigenschaften, die Wasserstoff herausfordernd machen

Aus unserer Sicht sind es vor allem zwei physikalisch-technische Eigenschaften, die Wasserstoff in vielen Fällen zu einer suboptimalen Lösung machen: Geringe Effizienz und schwierige Materialeigenschaften.

Niedrige Effizienz

Wasserstoff hat als Energieträger eine niedrige Effizienz, d.h. bei der Herstellung, Logistik und Nutzung geht viel Energie verloren. Ein Beispiel sind Wasserstoffautos, bei denen nur etwa 33% der ursprünglich eingesetzten Energie tatsächlich nutzbar sind. Zum Vergleich: Bei Elektroautos mit Lithium-Ionen-Batterien liegt dieser Wert bei um die 76%, was sie zu einer deutlich effizienteren Alternative macht.

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Schwierige Materialeigenschaften

Wasserstoff hat von Natur aus einige physikalische Eigenschaften, die seine Nutzung technisch anspruchsvoll machen. Zwei Beispiele sind

  • Extrem niedrige volumetrische Energiedichte: Wasserstoff hat bei Normaldruck eine Energiedichte von nur 0,003 kWh/l, was etwa 0,03 % der Energiedichte von Benzin entspricht. Das bedeutet, dass ein Wasserstofftank bei Normaldruck mehr als 3.000 mal größer sein müsste als ein Benzintank mit gleichem Energieinhalt, was in der Praxis offensichtlich problematisch ist. Um Wasserstoff dennoch nutzbar zu machen, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder kann der Wasserstoff bei extrem hohen Druck (meist 700 bar) oder bei extrem tiefen Temperaturen unterhalb seiner Siedetemperatur von -253 °C gespeichert werden. Beides ist möglich, aber wegen der notwendigen Tankstabilität bzw. Kühlung mit hohem technischem Aufwand verbunden. Die Energiedichte beträgt auch dann nur etwa 15 % bzw. 25 % der Energiedichte von Benzin.

  • Explosivität und Leckneigung: Wasserstoff ist ein sehr kleines Molekül, wodurch Gaslecks wesentlich leichter entstehen als z.B. bei Erdgas. Hinzu kommt, dass Wasserstoff extrem leicht entzündlich ist und mit Luft leicht explosive Gasgemische bildet. Folglich müssen aufwändige Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden, um eine sichere Nutzung zu gewährleisten, was entsprechend hohe Kosten verursacht.

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Anders als bei alternativen Technologien befinden wir uns bei Wasserstofftechnologie bereits heute nah an der Grenze des technisch Machbaren. Zwar sind auch hier noch einige Fortschritte zu erwarten, diese sind jedoch durch fundamentale physikalische bzw. thermodynamische Eigenschaften stark begrenzt. Bei der Lithium-Ionen-Batterie hingegen sind wir noch deutlich weiter von den physikalischen und technischen Grenzen entfernt, was einen größeren Spielraum für weitere Verbesserungen in der Zukunft eröffnet.

Abgesehen von diesen technischen Herausforderungen ist grüner Wasserstoff heute noch kaum verfügbar und deutlich teurer als der vorherrschende graue Wasserstoff. Daran wird sich aus unserer Sicht über die nächsten Jahre nur sehr langsam etwas ändern. Aus diesem Grund sollte der knappe grüne Wasserstoff nur da eingesetzt werden, wo keine besseren und günstigeren Alternativen zur Dekarbonisierung zur Verfügung stehen.

Die Marktpotenziale verschiedener H2-Anwendungsfelder

Basierend auf den oben genannten techno-ökonomischen Überlegungen und unter Berücksichtigung möglicher technischer Alternativen können wir nun das langfristige Marktpotenzial für verschiedene Anwendungsfelder von “grünem” Wasserstoff ableiten. Im Folgenden geben wir einen kurzen Überblick über einige Schlüsselbereiche, für die Wasserstoff theoretisch in Frage kommt.

✅ Hohes Potenzial (keine/wenig Alternativen)

  • Ammoniak: Ammoniak ist ein riesiger bestehender Wasserstoffmarkt, der für etwa 2 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist. Ammoniak wird hauptsächlich zur Herstellung von Düngemitteln verwendet. Wasserstoff ist ein unersetzlicher Rohstoff für die Produktion von Ammoniak (NH3), der von “grau” auf “grün” umgestellt werden muss.

  • Sonstige chemische Industrie: Neben der Ammoniakproduktion ist Wasserstoff heute auch schon in vielen anderen Bereichen der chemischen Industrie ein unersetzlicher Rohstoff. Er wird unter anderem für die Herstellung von “Basischemikalien” wie Methanol benötigt. Auch hier muss der heute überwiegend “graue” Wasserstoff langfristig “grün” werden.

⚠️ Teilweise/vorübergehendes Potenzial (langfristig ggf. bessere Alternativen vorhanden)

  • Stahl (als Reduktionsmittel): Ein wichtiger Schritt bei der Stahlherstellung ist die Reduktion des Eisenerzes, d.h. die Entfernung des Sauerstoffs. Dies geschieht heute mit fossilen Rohstoffen wie Kohle oder Erdgas, die mit dem Sauerstoff zu CO2 reagieren, das dann in großen Mengen in die Atmosphäre entweicht. Wasserstoff kann hier als Ersatz für fossile Rohstoffe zur Reduktion des Eisenerzes eingesetzt werden, wobei als Abfallprodukt nur Wasser entsteht. Viele Stahlproduzenten arbeiten bereits an entsprechenden Anlagen und wir erwarten, dass dies in den nächsten Jahren noch zunehmen wird. Nach unserer Analyse könnte hier jedoch langfristig eine Konkurrenz durch direkte Elektrolyseverfahren entstehen, die die Nachfrage nach Wasserstoff in diesem Bereich begrenzen könnte.

  • Schiffsverkehr: Wasserstoffbasierte Kraftstoffe wie Methanol & Ammoniak könnten in Zukunft eine gewisse Rolle spielen, um klimaschädliche Kraftstoffe wie Schweröl in der Schifffahrt zu ersetzen. Allerdings sehen wir hier starke Konkurrenz durch batterieelektrische Antriebe und Biofuels.

  • Stromnetze (als Speicher): Der Großteil aller Energiespeicher im Stromnetz, vor allem Kurzzeitspeicher, werden aus unserer Sicht Lithium bzw. Natrium-Ionen-Batterien sein. Der Einsatz von Wasserstoff als Langzeitspeicher, d.h. um beispielsweise Schwankungen in den erneuerbaren Energien zwischen Sommer und Winter auszugleichen, ist aber möglich und sinnvoll, da Batterien hier nicht in Frage kommen. Aufgrund der niedrigen Effizienz und des technischen Aufwands wird der Einsatz von Wasserstoff als Speicher jedoch auf Situationen beschränkt bleiben, in denen keine alternativen Speicherarten zur Verfügung stehen.

❌ Geringes Potenzial (bessere Alternativen vorhanden)

  • Straßenverkehr: Hier sehen wir kein Potenzial für Wasserstoff, da er zu ineffizient und teuer ist. Abgesehen von einigen Nischen wird der gesamte Straßenverkehr der Zukunft, einschließlich PKWs und LKWs, batterieelektrisch sein.

  • Wärmeerzeugung (z.B. Wohnhäuser & Stahlindustrie): Auch in der Wärmeerzeugung sehen wir für Wasserstoff kein Potenzial, da er zu ineffizient bzw. teuer ist. Fast alle Arten der Wärmeerzeugung werden langfristig elektrisch sein, z.B. Wärmepumpen für alle Anwendungen bis ca. 200°C in privaten und gewerblichen Gebäuden und Elektroöfen für höhere Temperaturen in der Industrie.

  • Luftverkehr: Auch hier ist Wasserstoff aufgrund seiner extrem geringen volumetrischen Energiedichte nicht praktikabel bzw. extrem teuer. Bessere Alternativen dürften Biofuels oder sogar E-Fuels sein.

Die Attraktivität von Investmentfeldern entlang der H2-Wertschöpfungskette

Aus der Einschätzung des Marktpotenzials der H2-Anwendungsfelder lässt sich nun die Attraktivität verschiedener Investitionsfelder entlang der H2-Wertschöpfungskette ableiten. Exemplarisch soll dies an zwei Bereichen verdeutlicht werden.

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Elektrolyse

Die Elektrolyse ist für die Herstellung von “grünem” Wasserstoff unerlässlich und wird daher in allen potenziellen Anwendungsbereichen benötigt werden. Da, wie erwähnt, heute noch ein Großteil des Wasserstoffs “grau” ist, bietet die Umstellung auf “grünen” Wasserstoff ein enormes Wachstumspotenzial für alle Hersteller von Elektrolyseuren. Selbst wenn sich in den nächsten Jahren nur die Bereiche mit den aus unserer Sicht größten Potenzialen (Ammoniak und sonstige chemische Industrie) tatsächlich manifestieren, wird dies die Produktionskapazitäten der Hersteller für lange Zeit auslasten.

Zwei Unternehmen in diesem Bereich sind die norwegische Nel und die britische ITM Power. Nel ist derzeit der größte Hersteller von Alkali-Wasser-Elektrolyseuren, während ITM Power einer der führenden Hersteller von PEM-Elektrolyseuren ist. Wir haben beide Unternehmen im Rahmen unseres Researchs intensiv analysiert und mit Experten sowie dem jeweiligen Management gesprochen. Derzeit sehen wir jedoch unternehmensspezifische Risiken, die uns von einem Investment abhalten. Bei Nel war einer der Hauptgründe strategischer Natur (aufgrund des geringen Potenzials von Wasserstoff im Straßenverkehr sehen wir Nels Geschäft mit H2-Tankstellen als Risiko), bei ITM Power waren es eher technische Gründe (wir haben derzeit noch Zweifel an Ausgereiftheit der PEM-Technologie und der Skalierbarkeit ihrer Produktionsanlagen). Sollten sich unsere Bedenken in Zukunft auflösen, könnte ein Investment wieder in Frage kommen.

Brennstoffzellen

Brennstoffzellen werden benötigt, wenn Wasserstoff als Energieträger zur Erzeugung von elektrischem Strom eingesetzt wird. Beispiele sind Energiespeicher im Stromnetz oder im Straßenverkehr. Da diese Anwendungen aus unserer Sicht, wie oben beschrieben, nur wenig Potenzial haben, sind Unternehmen im Bereich Brennstoffzellen derzeit grundsätzlich keine Kandidaten für das 10xDNA-Portfolio. Das Enttäuschungspotenzial ist hier besonders groß, da gerade im Bereich Straßenverkehr, wo es mit Elektroautos bereits heute deutlich bessere Alternativen gibt, der Einsatz von Wasserstoff von Politikern und Automanagern weiterhin öffentlichkeitswirksam propagiert wird.

Fazit

“Grüner” Wasserstoff wird ein unersetzlicher Baustein einer nachhaltigen Wirtschaft werden und dazu beitragen, klimaschädliche Emissionen zu verringern. Aus unserer Sicht bieten Bereiche wie Ammoniak und die sonstige chemische Industrie enormes Wachstumspotenzial, was beispielsweise Elektrolyseur-Hersteller zu potenziell attraktiven Investments macht. In vielen anderen Bereichen wie dem Straßenverkehr oder der Luftfahrt wird Wasserstoff, wenn überhaupt, nur Nischen finden, was beispielsweise die Wachstumsaussichten von Unternehmen im Bereich Brennstoffzellen stark limitiert.

10xDNA Capital Partners hat Stand heute noch kein Unternehmen aus dem Bereich Wasserstoff im Portfolio. Wir verfolgen die Industrie jedoch weiter intensiv und schließen nicht aus, dass sich dies in Zukunft ändern kann.


Publiziert am

Autor: TEQ Capital Research Team

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